Wasser - geometrischer Ort der Sehnsucht

Kurzprosa

Achter Verlag, Weinheim, März 2022

115 Seiten, Hardcover, Halbleinen, Fadenheftung, Lesebändchen

ISBN 978-3-948028-13-8

Illustration und Gestaltung: Jessica Füllenbach

€ 16,- AMAZON.DE - BUECHER.DE - BOL.DE

Wasser - geometrischer Ort der Sehnsucht

Pressetext:

"Ich liebe Wasser, weil es der Himmel ist, den ich anfassen kann." In ihrer gewohnt poetischen Weise denkt Frederike Frei über Wasser nach. "Keine Welle warnt die andere. Wie die Lemminge laufen sie ins Verderben, schieben einander vor, stolpern über sich selbst, vergehen vor Glück, nicht nur im, sondern ... Wasser zu sein."
Eine Ode an das Lebenselixier Wasser in literarischen Miniaturen - Schlückchen für Schlückchen.
Die Kühnheit der Gedankenführung deutet sich schon im Titel an: Wasser - geometrischer Ort der Sehnsucht. Dieser Vorstellung liegt die kosmologische Theorie Heraklits zugrunde. Ganz zu Beginn des Bandes sprechen Autorin und Wasser aus einem 'Mund': "Ich fließe, bin starr, renne an gegen Eis und bin Eis, wenn ich nicht anrenne."
Kurzprosa - eine von Frederike Frei zur Blüte gebrachte literarische Form. Die den Wellen verfallene Heldin fühlt sich Undine verwandt - ohne ihr Schicksal zu teilen. Obwohl ihr Bekenntnis: "Eigentlich möchte ich ihn nur um seinen Verstand bringen und gleichzeitig genau den genießen" das Potenzial enthält, den Undine-Stoff auf reizvolle Weise zu erweitern.
Man begegnet im Buch einem Füllhorn voll schöner und kluger Gedanken zum Lebenselixier Wasser, der Voraussetzung allen Lebens. Sätze voll schöner Selbstverständlichkeit zu lesen, gewagt in der Aussage und mit durchaus kühnen Wortschöpfungen: "Soll er über mich kommen, der Blanke Hans, mich reinreißen in den sandnassen Grund, mich fetzen, mich haarklein über die Küste ziehen, [...] das Strandgut an Land werfen, mir das Kreuz zerbrechern, mich zurücklassen als Häufchen Elend" oder "Wie Wasser ist die Liebe. [...] Es gibt sie immer doppelt [...] Münder und Schlünder sind Abgründer".
- Das Wasser-Buch ist in gutem Sinn ein Konglomerat, welches sich dadurch auszeichnet, gedankentief und kurzweilig in einem zu sein. Es sei jedermann, speziell den Liebhabern der Nord-, auch Ostsee, herzlich zur Lektüre empfohlen.

      Hans Joachim Funke, Bibliothekar, April 2022

Pia Soldan in Am Erker 84, Münster, April 2023:

"Tropfen für Tropfen fällt eine Miniatur ins Auge, dringt ins Hirn, rinnt durch die Blutbahnen ins Herz. Manchmal, gar nicht selten, rutscht die noch tiefer Richtung Vulva und weiter bis zu den nackten Füßen. Körpersäfte aber braucht Frederike Frei nicht, um ihre Miniaturensammlung Wasser zum 'geometrischen Ort der Sehnsucht' zu machen, wie das Büchlein untertitelt ist.
Dieser Sammlung hat der Achter Verlag ein bibliophiles kleines Hardcover mit Leinenbindung gegeben, begleitet von Aquarellzeichnungen von Jessica Füllenbach, die die verbalen Bedeutungsebenen aufgreifen oder sie mit ganz neuen Wassergedanken aufladen. (...)
So 'lockt' das Wasser mitten ins Verderben, immer wieder, selbst den Himmel lockt der See 'mit der Aussicht auf das Ende der Welt'. Noch besser kann es das Meer, denn 'an der See liegt er frei', der Horizont, als 'letale Nulllinie, die keine Ausschläge mehr liefert', hinter die du nicht schauen kannst, der 'Horizont ist der Tod'.
Die nasse (Un-)Endlichkeit dafür bestrafen oder sich nur an ihre Taten erinnern zu wollen, ist von vornherein sinnlos, denn 'keine blaue Seidenhaut kannst du abziehen von ihm, dir keine Scheibe abschneiden und auf den Schreibtisch legen'.
Wasser ist Macht, 'der See ein Millimeterdiktator, Gerechtigkeitsfanatiker, peinlich genau darauf bedacht, niemanden hochkommen zu lassen. Jedes Tal, jede Kuhle muss ausgefüllt, jeder Hügel eingeebnet werden'. Umso bedrohlicher erscheint es da, wenn die Oberfläche nicht länger ausgeglichen ist, sich aufbäumt, geradezu 'über sich selbst herfällt' und 'einen weißen Schaumteppich zur Musterung vor meinen Füßen ausbreitet, als ob ich ihn kaufen soll'.
Außerdem benötigt eine Miniaturensammlung nicht unbedingt Kongruenz der Texte untereinander. Wo er einst das große Ende war, kann der Horizont so in ein und demselben Bändchen 'für uns die Linie ins Unendliche' sein, 'nicht der Strich durchs Leben wie für andere'. Was aussieht wie ein Fischernetz aus Widersprüchen, ist vielmehr der Blick auf den Facettenreichtum ein und desselben Nicht-Dings: 'Das Meer kennt nur sich selbst. Es atmet ein und aus, das ist alles.' Wie wunderbar, dass das Werten wegfällt.
Wer Schubladen sucht, wird sie in dieser kleinen blauen Wohnung ohne Wände, dafür mit blauem Lesebändchen und dem schwarzen Loch in der Strudelmitte – erneut eine Kreation der Illustratorin Füllenbach – nicht finden. 'Dort kann man das Fürchten lernen vor allem Neuen, wenn man will.' (...)
Frei entscheidet sich nur gelegentlich für kleine Anker, die da als Überschriften 'Traunsee', 'Wattenmeer' oder 'Amrum' heißen, bereitet nur denen ein Bett, die bereit sind, es sich mit einer ihrer Erzählerinnen gemeinsam unter den Arm zu klemmen und loszuwandern, ziellos zum Wasser, hinweg oder mittendurch. 'Die Buddhisten vergleichen diesen Moment, in dem das Meer vor den Augen auftaucht, mit der Tuchfühlung zum Nirwana', (...) Konturen zerfließen zurück zur 'abgrundtiefblaugrünen' Freiheit der Literatur."

[komplett online zu lesen]

Am Erker 84

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